Das mir Lernorte am Herzen liegen ist kein Geheimnis. Das ich Selbstbestimmte Bildung - Selbstbestimmtes Lernen essentiell für heranwachsende Menschen halte auch nicht.
Noch bevor mein Sohn eingeschult werden sollte, hatten wir Pläne die Schulpflicht in Deutschland zu umgehen. Einfach weil es zu wenige Schulen gibt, die die Dinge, die uns wichtig sind, umsetzen. Zugegebenermaßen existieren diese Pläne immer noch, doch wie es im Leben nun mal so ist: Es läuft selten nach Plan. Und so sehr ich Selbstbestimmte Bildung unterstütze, so sind wir als Familie immer noch auf Lösungsfindung, die Umgebung und Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, die für uns passen.
Versunken im eigenen Alltagsstress wurde mein Sohn nun 'nebenan' eingeschult. Ein Schulplatz an freien Schulen ist und bleibt Mangelware - verbunden mit langen Wartelisten und auch nicht jede kommt in Betracht. Von freiem Wohnraum in der Nähe einer möglichen Schule ganz zu schweigen. Somit haben wir nun den Salat, denn die Einzugsschule passt nicht zum Kind. Obgleich mein Kind natürlich wunderbar von außen betrachtet in die Schule passt.
Doch es macht eben einen Unterschied, ob ich selbst an einem Ort arbeite oder lerne und mich dort wirklich wohl fühle, mich entwickeln kann oder ob ich mich die ganze Zeit verstelle und anpasse, damit es eben irgendwie passt.
Es dauerte nur wenige Wochen nach der Einschulung und die ersten Krisen zu Hause machten deutlich: Wir als Eltern dürfen uns jetzt kümmern einen geeigneten Lebens- sowie Lernort zu finden. Dabei ist die Form des Lernortes weniger relevant für uns, als das Erleben in ihm selbst. Lernorte können für uns Schulen sein, Jugendclubs oder auch organisierte Treffen innerhalb einer Gemeinschaft. Orte an denen unsere Kinder mit alten und jungen Menschen in Berührung kommen und gemeinsam wachsen, vor allem an ihren Interessen. Doch es herrscht Schulgebäudeanwesenheitspflicht (Schulpflicht) in Deutschland und wer nicht das große Glück hat eine Schule direkt vor Ort zu haben, in die das eigene Kind jeden Tag freudestrahlend geht, kann mitunter erleben wie diese prägende Zeit zur persönlichen und familiären Qual werden kann.
Wir suchen also nach einem Lernort, der nach deutschem Recht noch eine Schule zu sein hat. Schule... ein Wort welches jeder von uns mit seinen ganz eigenen Erinnerungen und Vorstellungen assoziiert. Dabei muss Schule überhaupt nicht mehr das sein, was wir damit verbinden und was der überwiegende Teil der jungen Menschen heute immer noch in ihr erlebt. Nur leider wissen auch selbst viele Lehrkräfte nicht was Schule alles sein kann, weil zum Beispiel im Studium überhaupt nicht über die verschiedenen Schulformen gesprochen wird, die es bereits erfolgreich gibt. Und so wie wir Eltern dann achselzuckend neben unseren Kindern stehen "Wir mussten da auch durch" stehen die Lehrkräfte ebenso achselzuckend vor allen Beteiligten "Schule ist nun mal so".
Eine zerstörerische Haltung auf allen Ebenen. Manchmal geht sie sogar soweit, dass elterninitiierten Schulen in freier Trägerschaft, mit erfolgreichen Konzepten, Steine in den Weg gelegt bekommen, weil sie den vor Ort mitbestimmenden Politikern persönlich nicht passen.
Ich möchte hier absichtlich das Wort 'erfolgreiche Konzepte' in den Mund nehmen da es innovative Schulkonzepte überall im Land gibt. Nur dringt das irgendwie nicht richtig durch.
So bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Lernort über den deutschen Schulpreis gestolpert, welcher jedes Jahr. aus einer Vielzahl sich bewerbender Schulen, verliehen wird.
Und während ich mir das Schulleben der alljährlichen Gewinner ansehe, frage ich mich wieso diese Kriterien, diese Konzepte nicht als Standard in jeder Schule festgelegt werden?
Denn hat nicht jedes Kind und jede Familie ein Recht darauf, die beste Schule zu besuchen?!
Ich finde ja und genau deswegen scheint es mir fast absurd wie Frau Merkel oder Herr Steinmeier die Preise überreichen für besonders innovative Schulen, als wäre
a) Bildung ein freier marktwirtschaftlicher Wettbewerb und
b) als hätten sie dabei vergessen, dass alle politischen Parteien für die Schullandschaft im ganzen Land verantwortlich sind, auch wenn sie diese Verantwortung gerne den Schulen allein zustecken möchten.
Ich finde, jedes Kind hat es verdient auf die beste Schule Deutschlands zu gehen und dass die Qualitätsbereiche einer guten Schule als Grundlage jeglicher Arbeit an Schulen zu Grunde liegen sollte.
Es kann für mich nicht sein, dass Fächer- sowie Jahrgangsübergreifendes Lernen zum Beispiel in fast jeder 'besten Schule Deutschlands' zum Schulalltag gehört, während andere Schulen strikt auf ihre homogenen Klassenverbände pochen. Welche meiner Erfahrung nach das gesamte Miteinander sowie das von- und miteinander lernen stark beschränken.
Natürlich gibt es auch von Seiten der Politik einen Handlungsrahmen der Schulqualität.(1) Für Berlin ist die aktuellste Fassung aus dem Jahre 2013 (!)
Doch sind Vorgaben wie:
• Der Unterricht beginnt und endet pünktlich.
• Die Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich aktiv mit dem Unterrichtsgegenstand.
• Der Anteil an sachfremd verwendeter Zeit ist gering.
• Der Anteil der Warte- und Leerlaufzeiten ist gering.
wirklich anregend?
Auch ist nicht klar was genau folgende Kriterien bedeuten:
• Es herrscht ein freundlicher, respektvoller und wertschätzender Umgangston.
• Diskriminierung oder Ausgrenzung werden nicht toleriert.
• Schülerinnen und Schüler haben Mitspracherecht und werden fair und gerecht behandelt.
• Der Umgang mit Fehlern ist konstruktiv.
• Unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten und Lernwege werden zugelassen.
Freundlichkeit, ein wertschätzender Umgangston, Fairness oder Mitspracherecht sind sehr subjektive Angelegenheiten, die jeder Mensch auf Grund seines Entwicklungsstandes (vor-), (er-)lebt. Das 'wie' der Umsetzung fehlt, für mein Verständnis, gänzlich.
Daher nochmal zurück zu meiner Ursprungsfrage: Wie kann es sein, dass Schulen, an denen sich junge Menschen wie auch Personal wohlfühlen, für ihren innovativen Schulalltag gekrönt werden, während der sehr große Teil der Schulen, nun ja, sich mit dem Entwicklungsstand, der weit hinter den heutigen Möglichkeiten liegt, beschäftigen?
Jedes Kind hat es verdient die beste Schule Deutschlands zu besuchen und ich kann es mir nur schwer mit ansehen, wie immer wieder junge Menschen Tag ein - Tag aus in Schulen 'gezwungen' werden und sich einfach viel zu wenig mit der Schulumgebung und den Auswirkungen auf diese jungen Menschen und deren Familien beschäftigt wird. Geschweigen denn wirklich nachhaltige und integrative Lösungen gefunden werden wollen.
Im Grunde geht es in der Schule nicht um Lerninhalte die da vermittelt werden. Inhalte machen uns nicht zu dem wer wir sind. Wie wir miteinander umgehen, welche Erfahrungen wir sammeln und wie wir Selbstwirksamkeit erleben hingegen schon.
Der Staat schreibt uns - unseren Kindern eine Schulpflicht vor. Mit dem ganzen Rest lässt er nicht nur die Schulen, sondern auch viele junge Menschen und Familien allein - oft auch in der Ohnmacht. Was er tun könnte, wird vielleicht Teil eines anderen Beitrags. Die Konzepte der preisgekrönten besten Schulen Deutschlands als Grundlage für Schulpolitik zu nehmen, wäre jedoch mal ein Anfang, finde ich.
Anhang - Die besten Schulen
Mit dem deutschen Schulpreis zeichnet die Robert-Bosch-Stiftung und die Heidehofstiftung gemeinsam mit dem ARD und der ZEIT Verlagsgruppe seit 2006 Schulen aus. (2)
Ich habe mir die letzten 6 Gewinnerschulen angesehen und mir ging das Herz auf, diesen kleinen Einblick von ihnen zu bekommen. Für uns privat geht die Suche weiter - nach einem passenden Lern- und Lebensort. Denn Schule ist eben mehr als nur Schule.
2015 bekam den Preis die Gesamtschule Barmen in Wuppertal .
2016 die Grundschule auf dem Südteresch in Schüttdorf.
2017 geht der Preis an die Berufsschule in Hameln.
2018 bekam das evangelische Schulzentrum Greifswald den Preis.
2019 wird die Gebrüder Grimm Schule in Hamm ausgezeichnet. Sie gilt sogar als Brennpunktschule.
2020 die Otfried Preußen Grundschule in Hannover.
2021 wurde der Preis, auf Grund der Pandemie, an mehrere Schule vergeben mit neuen Kriterien. Die Szenen waren mir jedoch zu digital und die Schulen & ihre Menschen haben mich nicht berührt. Das war eine interessante Erkenntnis für mich.
Quellen:
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